Smarty: Charles I. gehörte der Church of England an, die sich im 16. Jahrhundert vom Vatikan gelöst hatte. Er war also als Protestant, doch hatte der Katholizismus seiner Ehefrau einen gewissen Einfluss auf ihn.
Shorty: Wie zeigt sich das?
Smarty: Zum einen ist das auf der kirchenpolitischen Ebene zu erkennen, denn Charles näherte sich wieder dem Katholizismus an. Zwar konvertierte er nicht, der von ihm ernannte Erzbischof von Canterbury, William Laud, war aber immerhin darum bemüht, die Spannungen zwischen London und dem Vatikan zu entschärfen.
Shorty: Und die Annäherung an den Katholizismus zeigt sich auch in der Kunst?
Smarty: Ja, und zwar besonders gut in der Architektur von Kirchen und Kathedralen. Das berühmteste Beispiel wäre wohl die St Paul’s Cathedral in London. Diese wurden ab 1633 renoviert, und der Architekt, Inigo Jones, orientierte sich an kontinentaleuropäischen Vorbildern, auch an katholischen.
BILDQUELLE: British Museum
Shorty: Sieht St Paul’s Cathedral heute noch so aus, wie Inigo Jones sie gebaut hat? Sie ist doch im 17. Jahrhundert abgebrannt, oder verwechsle ich da was?
Smarty: Nein, da haben Sie Recht. Die damalige Kathedrale ist beim großen Feuer von 1666 niedergebrannt und wurde in anderer Gestalt wieder aufgebaut.
Shorty: Und wie zeigen sich die Einflüsse katholischer Kirchen auf die alte St Paul’s Cathedral?
Smarty: Sie sehen zum Beispiel, dass der Kircheneingang nach der Renovierung über einen Portikus mit korinthischen Säulen verfügte. Solche Säulen findet man auch an der Fassade des Petersdoms im Vatikan, dem die St Paul’s Cathedral architektonisch Konkurrenz machen sollte.
Shorty: Aus der Imitation soll also gleichzeitig schon Überbietung werden.
Smarty: So kann man es beschreiben. Aber es wurden auch katholische Kirchen gebaut, etwa diejenige in der Londoner Hauptresidenz der Königin, Somerset House. Diese Kapelle wurde von Inigo Jones mithilfe der Königin und ihrer katholischen Priester geplant, sodass er genau wusste, welche Funktionen die Kapelle und das ihr angeschlossene Kloster erfüllen mussten.
BILDQUELLE: British Museum
Shorty: Und wie hat die Bevölkerung es aufgenommen, dass man eine katholische Kirche in London gebaut hat? Sie sagten gerade, die Church of England hätte sich vom Vatikan gelöst, und dann nähert man sich dem Katholizismus wieder an… ganz schön verwirrend… in Deutschland war doch zu der Zeit der Dreißigjährige Krieg, da wurden religiöse Unterschiede nicht friedlich ausgetragen.
Smarty: In England war es nicht anders. Die Somerset House Chapel wurde zwar schnell zum Zentrum des Katholizismus in London, das machte sie aber auch zum Hassobjekt der englischen Puritaner. Sie kritisierten auch die finanziell aufwendigen Ausstattungskampagnen, die Charles an den königlichen Kapellen vornahm, und die Reformen des Erzbischof von Canterbury.
Shorty: Weil sich die Church of England so weiter dem Katholizismus annäherte?
Smarty: Genau. Gegen Ende der 1630er Jahre konvertierten sogar einige wichtige Mitglieder des Hofes.
Shorty: Und dann?
Smarty: Dann brach 1642 der Bürgerkrieg zwischen den Unterstützern des Königs und den Unterstützern des Parlaments aus.
Shorty: Wegen der Kirche?
Smarty: Unzufriedenheit mit der Art der Regierung und Fragen der Religionsfreiheit waren die hauptsächlichen Kriegsgründe, ja.
Shorty: Und was geschah dann mit den Kirchen?
Smarty: Nun ja, die Renovierungsarbeiten an der St Paul’s Cathedral mussten eingestellt werden, 1640 war eine Gruppe Puritaner dort eingebrochen, hatte den Altar zerstört und versucht, die Pfarrer und den Erzbischof zu ermorden. Nachdem der Erzbischof Laud 1645 hingerichtet wurde, benutzte man die Kathedrale als Pferdestall für die Armee des Parlaments.
Shorty: Als Pferdestall… das sagt wohl unmissverständlich, was man von den Kirchenreformen Charles’ hielt. Aber St Paul’s war doch gar keine katholische Kirche?
Smarty: Trotzdem waren sie und die religiösen Reformbewegungen, die sie verkörperte, einigen Parteien des Bürgerkriegs zuwider. Den katholischen Kapellen erging es ähnlich schelcht.
Shorty: Wirklich?
BILDQUELLE: Vicars, John: A Sight of ye Trans-actions of these latter yeares Emblemized with engrauen plats which men may read without spectacles, London 1646.
Smarty: 1644 sorgte das dem König feindlich gesinnte Parlament dafür, dass die Kapellen zerstört wurden. Das Altargemälde von Rubens, das wir vorhin gesehen haben, wurde in Stücke gerissen und in die Themse geworfen; viele Bücher und liturgische Gegenstände aus Somerset House wurden verbrannt.
Shorty: Und was haben Charles und Henrietta gemacht?
Smarty: Sie haben London 1642 verlassen. Henrietta Maria reiste zunächst in die Niederlande, kehrte 1643 für etwa ein Jahr nach England zurück und floh dann mit ihren Söhnen nach Frankreich. Charles blieb in England und führte Krieg gegen das Parlament und die Schotten, begab sich aber nach einigen Kriegswirren 1646 freiwillig in schottische Gefangenschaft. Von dort aus wurde er an das Parlament ausgeliefert. Im Januar 1649 klagte ihn das Parlament des Hochverrats an England an, und er wurde noch im selben Monat hingerichtet.
Shorty: Und wer wurde danach König? Ein Schotte wie bei Maria Stuart?
Smarty: England existierte danach für 11 Jahre als ‚Commonwealth of England‘ unter parlamentarischer Regierung.
Shorty: England ohne Monarchie, das ist ja unvorstellbar. Aber spannend, wie die Hintergründe solcher Konflikte in Dingen wie den Säulen einer Kathedrale oder Symbolen in Gemälden zusammenhängen. Wenn man diese Dinge als ‚Übersetzungen‘ betrachtet, werden die Zusammenhänge gleich viel deutlicher.